Wir haben noch nicht alle älteren Artikel nachbearbeitet. Das bezieht sich in der Regel nur auf die Codebeispiele, die noch nicht optimal dargestellt werden.
»Maßgebend is auf’n Platz!« – Teil IX
Heute treten zwei Traditionsvereine gegeneinander an. FC St. Pauli gegen den FC Köln.
Zum Saisonstart widmen sich die Webkrauts den Internetauftritten aller 36 Bundesligavereine und testen sie auf moderne Webstandards.
Der Begriff ›Traditionsverein‹ bedeutet in der Spielzeit 07/08 in der Regel, dass der graue Alltag in den Niederungen der zweiten Liga stattfindet. So auch bei unserer heutigen Paarung, dem 1. FC Köln und dem FC St. Pauli – beides Vereine mit, um es vorsichtig auszudrücken, sehr traditionellen Web-Auftritten.
Pauli gegen Köln – der Weltpokalsiegerbesieger gegen den Karnevalsverein
Bereits beim Warmlaufen stolpert der Validator bei beiden über Fehler, die durchaus vermeidbar wären. Wie so oft sind es die Standardsituationen, in denen Eigentore wie uncodierte Ampersands, XHTML-Syntax in HTML und andersherum, fehlende oder falsch geschlossene End-Tags, historisch überholtes wie <marquee>
usw. fallen.
Bilder sind bei den Geißböcken fast durchgängig mit leeren alt
-Attributen ausgezeichnet, lediglich einige besitzen einen sinnvollen Alternativtext. Dieser ist jedoch meistens redundant, da er im Text noch mal wiederholt wird. In diesem Punkt gibt es auch für das Freudenhaus der Liga nicht nur vom Validator die gelb-rote Karte: einige Bilder haben vorbildliche Alternativtexte, aber bei vielen fehlt das im Regelbuch vorgeschriebene alt
-Attribut komplett. Mangels Alternativen würde ein Screenreader hier spielflußbehindernd "/pics/ligencontainer/logo278.gif" vorlesen.
Semantik? Retter gesucht!
Nicht nur das Stadion ist eine Baustelle, auch auf der Pauli-Website findet man zuhauf historische Versatzstücke aus der Frühzeit der Webentwicklung. Sinnvolles Markup bleibt am Millerntor, aber auch im Müngersdorfer Stadion in der Umkleidekabine. Insbesondere Pauli glänzt durch die nahezu vollständige Abwesenheit von sinnvollen Strukturelementen wie z. B. Überschriften. Dafür finden sich Berge von Spacer-GIFs und , vereinzelte Layout-Tabellen im CSS-Gerüst und hartverdrahtete Formatierungen. Der Rekord auf Pauli: ein fast 30 Kilobyte großes Inline-Style Sheet im HTML-Code.
Der FC hat sich seit dem aktuellen Relaunch in diesem Bereich etwas besser aufgestellt: zumindest gibt es nun eine halbwegs brauchbare Überschriftenstruktur. Dass aber die bisher zu Hauf vorhandenen FONT
-Tags durch Inline-Styles ersetzt wurden ist keine wirkliche Verbesserung, sonder nur derselbe Murks mit anderen Mitteln. Mitteln, bei denen jeder eingefleischte Standardista sein Fähnchen verbrennen würde.
4-4-2 mit Raute – die Navigation
Nicht viel zu meckern gibt es bei der Navigation von St. Pauli. Auch Ungeübte können sich in der klar gegliederten Struktur zurechtfinden, die keine besonderen Ansprüche an die Technik oder das Können der Nutzer stellt. Ganz anders bei der Macht am Rhein: Bei der vorherigen Version brauchte man ein ruhiges Händchen, Geduld und den unbedingten Willen, die bei der leisesten Berührung umfallenden Italiener Untermenüs zu bewältigen.
In der aktuellen Spielzeit setzt man nun auf eine Flash-basierte Navigation mit mikroskopisch kleinen und nicht skalierbaren Texten, die zudem nicht mit der Tastatur zu bedienen ist. Bei deaktivierten Plug-Ins und abgeschaltetem JavaScript erhält man zwar eine statische Alternative, die aber ebenso wenig nutzbar ist, da viele Navigationspunkte wegen Mängeln im CSS hinter dem Seiteninhalt verschwinden. Wie im richtigen Leben: der Geißbock träumt von San Siro und der Anfield Road, die Realität heißt aber Hermann-Löns-Stadion und Ernst-Abbe-Sportfeld – und zu mehr reicht es auch mit dieser Navigation nicht.
Accessibility in der Abseitsfalle
Während die Stadien mittlerweile Zugänge für Rollifahrer anbieten, so hat sich das Thema Barrierefreiheit noch nicht bis zu den Web-Entwicklern herumgesprochen. Neben den fehlenden, leeren oder falschen alt
-Attributen gehört dazu insbesondere die Anpassbarkeit an verschiedene Benutzereinstellungen und die Bedienbarkeit mit alternativen Eingabegeräten.
Durch die scheinbar beliebige Verteilung von tabindex
-Attributen mit der Gießkanne erinnert die Tastaturnavigation bei Pauli eher an Hüpfekästchen denn an Systemfußball. Auch bei Kölle kein gepflegtes Kurzpaßspiel: von der Kopfzeile geht es unter Umgehung der Navigation direkt mit einem langen Pass quer über die Seite auf die rechte Außenbahn. Nach ein paar Dribblings dort geht es zurück auf links und erneut ins Mittelfeld, wo sich der Ball endgültig verliert. Ganz schlimm: wie bei vielen Typo3-Installationen wird der Tastaturfokus per JavaScript (onfocus="blurLink(this);"
) geblockt – ohne Maus geht also gar nichts.
Du hast die Haare schön …
Ebenfalls ein unterirdischer Grottenkick ist die Robustheit der Gestaltung und deren technische Umsetzung. Die Rheinländer betreiben aggressives Forechecking – gegen Änderungen der Schriftgröße durch den Nutzer setzen sie eine Abwehr von starren Höhenangaben. Dadurch verschwinden oder überlappen Inhalte schon, sobald man nur 1-2× auf Apfel-+ gedrückt hat. Gegen diese Betonabwehr mit echten Zweitliga-Qualitäten hilft nur noch das Abschalten von CSS, wenn man auf größere Schrift angewiesen ist und auch etwas lesen möchte. Die Hamburger machen hier im Mittelfeld einige Punkte gut, aber auch dort sind Inhalte in den äußeren Spalten und den Überschriften nicht mehr lesbar, sobald der Nutzer eine etwas andere Schriftgröße eingestellt hat.
Kommentator: Tomas Caspers
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